20 Jahre erfolgreich Kleinkinder erschreckt!


Interview mit Immolation
Death Metal aus USA - Yonkers (New York)
Ein schöner, sonniger Tag und ich auf der Mission die US Todesmaschine IMMOLATION zum neuen Album auszuquetschen. So, Ränzlein geschnürt, Aufnahmegerät beim Pick abgeholt und gemütlich ins sächsisch-ländliche gedüst. Vor Ort angekommen erwarten mich, neben schönem Festivalglände, etwas überforderte Ordnungskräfte und ein hocherotisches Trio am Einlaß (die mich gezwungen haben, ganau diesen Prolog zu schreiben, da ich sonst keine Backstagekarte bekommen hätte). Hinten erstmal einen Überblick verschaft, die eine oder andere Band angeschaut und dann losgelegt. IMMOLATION sind seit nunmehr 16 Jahren mit qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen aktenkundig geworden. Im schönen Markt Schönstädt hatte ich bei Hellraisers 15. die Möglichkeit bei 95 Grad im Schatten auf einer höchstbequemen Backstagebiergartengarnitur mit Robert Vigna und Ross Dolan, Gitarrist bzw. Bassist und Sänger der Death Metal Urgesteine über ihr superbes neues Album „Shadows in the Light“ zu plaudern.

Ihr seid grad in Europa unterwegs, um euer neues Album „Shadows in the Light“ dem Volke näher zu bringen. Wie läuft die Tour?


[Ross]:
Sehr gut, die Tour macht richtig Spaß. Das ist für uns die erste Tour in Europa seit 4 Jahren. In den letzten Jahren haben wir nur ein paar Festivals gespielt, es ist schon geil hier mit voller Stärke rüberzukommen und so eine Tour zu spielen. Es sind auch ausschließlich wirklich coole Bands auf der Tour: DAWN OF AZAZEL aus Neuseeland, GRAVE aus Schweden und unsere guten Freunde KRISIUN aus Brasilien. Alle sind gut drauf, es herrscht richtig positive Stimmung und jeder will raus und spielen. Und jede Band ist trotz ihrer Brutalität doch sehr verschieden. Es ist einfach ne gute Tour.

DAWN OF AZAZEL haben ja auch grad gespielt, die fand ich auch ziemlich geil, ich meine sogar gewisse Ähnlichkeiten ich ihrem und Eurem Sound gehört zu haben!

[Ross]:
Ja, schon. Sie haben aber wesentlich mehr schräges Gitarrenzeug a la VOIVOD dabei, sind aber wirklich gut.

Für meine Begriffe teilt sich Eure Karriere musikalisch in 2 Teile, wobei der Bruch mit dem „Unholy Cult“ Album geschah.

[Robert]:
Da hast Du schon recht, jedoch würde ich den Punkt, an dem die neue Phase begann schon etwas eher ansetzen und zwar mit dem „Close to a Wolld Below“ Album.

„Shadows in the Light“ Euer siebtes Album seit 1991 ist ein typisches Spät-IMMOLATION Album, mit allem was auch schon den Sound bei „Unholy Cult“ und „Harnessing Ruin“ ausgemacht hat, z.B. dem für euch recht typischen melodischen Anteil in den Titeln.

[Robert]:
Ja, wir haben schon versucht das abwechslungsreich zu gestalten. Das ist einfach Ergebnis einer ganz normalen Entwicklung. Wir waren an einem Punkt, an dem wir die Musik einfach weiterentwickeln wollten, haben mit unterschiedlichen Gitarrenspuren und -melodien experimentiert. Die Rhythmusgitarren machen nicht immer nur das gleiche, sondern spielen unterschiedliche Sachen und darauf dann noch andere Sachen draufpacken ist schon spannend und macht auch die Musik interessanter.

„World Agony“ ist mein absoluter Lieblingstitel auf dem neuen Album, weil er eben jenen wirklich geilen Melodieanteil hat und auch ein absolut cooles Gesangsarrangement auf diesem Teil. Man kann darüber streiten, aber gerader dieser Teil hat so eine gewisse, dem Gothic Rock nicht unähnliche Dynamik (Anm. d.Verf: lange Gesichter mir gegenüber).

[Robert]:
Sicher, klar. Ist wirklich ein schönes Stück geworden

...STILLE...

[Ross]:
Deswegen haben wir den Titel auch fürs Video ausgewählt.

[Robert]:
Er charakterisiert die Band schon sehr gut, es passiert unwahrscheinlich viel in dem Stück und hat alle Elemente, die für uns typisch sind, schnell, hart, melodisch. Wie gesagt, genau deswegen haben wir den Titel fürs Video gewählt, wenn Du Fan von IMMOLATION bist, wirst Du alles finden, was uns ausmacht. Leute, die uns noch nicht kennen, haben die Möglichkeit durch den etwas eingängigeren Charakter Zugang zu uns zu finden.

Nimmt man Eure Texte zur Hand, merkt man schnell, dass die, zwar nicht satanisch, jedoch antichristlich bzw. antireligiös sind...

[Ross]:
Antireligiös triffts wohl am besten. Wir sind alle in einem katholischen Umfeld aufgewachsen, das ist auch unser lyrischer Bezugspunkt. Und gerade unser antireligiöser Charakter kam am stärksten auf den ersten 5 Alben zur Geltung. Seit „Unholy Cult“ und speziell “Harnessing Ruin“ und dem aktuellen Album hat sich der thematische Ansatz etwas verbreitert, aktuellere und auch relevantere Themen haben sich einfach aufgedrängt. Religion ist natürlich immer noch ein Thema. Wenn Du Dir den Wahnsinn in der Welt ansiehst kommst Du um dieses Thema natürlich nicht drumrum.

[Robert]:
Der Krieg spielt ne Rolle, es gibt den einen oder anderen politischen Einfluß auf die Texte, nicht völlig, doch zu einem gewissen Teil, wir wollen keine politische Band sein.

[Ross]:
Wir wollen einfach das ganze Elendspektrum abdecken (lacht). Was die Texte angeht, ist das Album schon sehr breit gefächert.

Hier, speziell im Osten Deutschlands, haben wir so um die 90 % Atheismus. Trotz, dass unsere Gesellschaft christlich geprägt ist, spielt Religion hier keine wirklich bedeutende Rolle. Ist das Antireligiöse ein typisch amerikanisches Thema, weil Religion meines Wissens so eine große Rolle in der amerikanischen Gesellschaft spielt? Die Skandinavier haben ja schon immer mit Satanismus rumhantiert, aber das Amerikanische ist schon anders, oder?

[Ross]:
Ich weiß natürlich nicht so bescheid, was Religion in Deutschland tut oder beeinflusst. Fakt ist aber, dass Religion auf der Welt eine Menge beeinflusst. Es gibt bei uns Gebiete, vor allem im mittleren Westen, in denen die Menschen etwas zu sehr von Religion vereinnahmt werden. Außerdem findet die Religion auch ihren Weg in die Politik. Gerade die ultrakonservativen Rechten haben sehr viel Geld und damit richtig Einfluß und bekommen meist, was sie wollen. Und das ist nicht gut. Auf diese Art können solche religiös motivierte Gruppen eine Menge kontrollieren, z.B. was Leute in den Zeitungen lesen bzw. was sie überhaupt lesen, was sie im Fernsehen sehen und was sie hören, was Frauen mit ihren Körpern machen dürfen oder nicht. Religion sollte sich aus der ganzen Politik einfach raushalten.

Wir sind jetzt etwas von der Musik weggekommen, ich würde gern noch mal darauf zurückkommen. Ihr habt die letzen 3-4 Platten mit Paul Orofino gemacht...

[Ross]:
Fünf, es waren schon fünf...(lacht)

Mann, Mann, Mann, wie die Zeit vergeht. Ich habs schon mal erwähnt, „Unholy Cult“ ist mein absolutes Lieblingsalbum, auch was den Sound angeht. Sehr klar, differenziert und sehr auf den Punkt produziert. Seit „Harnessing Ruin“ habt ihr einen etwas verwascheneren, muffigen Sound, wie kommt das?

[Ross]:
„Harnessing Ruin“ ist etwas muffiger, da gebe ich Dir recht, ist zwar ein gutes, brutales Album, aber den Sound finden wir jetzt auch nicht mehr so toll. Wir wollten einfach was anderes probieren. Das neue Album ist wieder etwas mehr in der Nähe von „Unholy Cult“. Ein etwas knackigerer Sound, Du kannst alle Instrumente raushören, jedoch ist es definitiv nicht der „Unholy Cult“ Sound. Es ist ein fetterere Sound, auf „Unholy Cult“ waren uns die Gitarren einfach zu dünn und klar jedes Album klingt verschieden und repräsentiert die Band zum jeweiligen Zeitpunkt.

IMMOLATION ist eine der wenigen Bands, die in Ihrer Kariere kein wirklich schlechtes Album veröffentlicht haben. Ich persönlich bevorzuge Nummer 1, 5 und 7, jedoch findet man auf allen Alben wirklich großartige Momente. Album Nummer 6 „Harnessing Ruin“ hakt bei mir etwas, da ich auch das Gefühl nicht los werde, das der zu diesen Zeitpunkt zu Euch gestoßene Steve (Shalaty – Schlagzeug) noch nicht richtig angekommen war bzw. noch nicht vollständig assimiliert wurde. Das Schlagzeugspiel war zwar ok, jedoch nicht 100% überzeugend.

[Ross]:
Das stimmt und es war definitiv unser eigener Fehler, alles musste unglaublich schnell passieren und es war ein furchtbares Gehetze. Wir wollten die Produktion einfach fertig bekommen und hatten da dann auch nicht mehr viel Zeit.

Auf dem neuen Album hat er wirklich geiles Zeug gespielt und es klingt wesentlich organischer.

[Ross]:
Das ist Steve!!! Beim letzten Album wars halt so, dass wir ihm die Titel gaben und sagten: „Du hast 4 Tage, mach was draus.“

Ok, noch ein kurzer Themenwechsel. Wenn ihr zurückblickt, welches Album oder welches Ereignis war besonders wichtig für die Entwicklung der Band?

[Robert]:
Was die Musik betrifft war mit Sicherheit „Close to a World Below“ extrem wichtig für uns, wobei man natürlich sagen muß, dass irgendwie jedes Album ein Fortschritt und für die Zeit wichtig war. „Here in After“ war das erste Album, bei dem wir mit etwas schrägerem Zeug experimentiert haben. Beim 3. haben wir mit etwas düsteren Kram rumprobiert. Ab „Close to a World Below“ haben wir angefangen unseren Sound zu verfeinern, Strukturen und Arrangements vereinfacht und die Lieder einfach direkter auf den Punkt gebracht. Das Album hat eine Menge coole Momente und mit ihm sind wir auch heute noch sehr zufrieden. Mit „Unholy Cult“ ging der Verfeinerungsprozeß weiter. Wir haben viel mit unterschiedlichen Gitarrenstimmen und Texturen experimentiert. Auch auf „Harnessing Ruin“ haben wir viel probiert, wie wirs eigentlich immer tun, wir wollen uns einfach weiterentwickeln. Der Titel „Dead to Me“ ist ziemlich geil oder auch „Swarm of Terror“. Beim neuen Album haben wir einfach versucht alle unseren Tugenden und starken Momente zu bündeln und sie auf ein Album zu packen. Man kann einfach von Album zu Album eine Entwicklung erkennen, die größte natürlich musikalisch, aber auch was die Produktion betrifft.

Euer Kram ist definitiv kein „Easy Listening“ und ich brauchte fürs neue Album ein paar Durchläufe, um Zugang dazu zu finden.

[Ross]: Ein Haufen von unserem Zeug ist so.

Jo, deshalb hab ich euch nach dem ersten Album etwas aus den Augen verloren, nachdem ich das erste wirklich mochte, war das zweite dann schon etwas viel auf einmal!

[Ross]:
Das zweite und das dritte sind wirklich...prfff...chaotisch.

[Robert]:
Gut, zwischen dem ersten und dem zweiten liegen auch 5 Jahre. Dann kamen „Here in After“ und „Failures for Gods“, wir hatten 5 Jahre Pause, wir mussten uns neu definieren...

[Ross]:
...unsere Nische, den Groove finden und herausfinden was wir wollten. Diesen Vorgang haben wir dann mit „Close to a World Below“ abgeschlossen.

Ihr beide seid mittlerweile die Einzigen, die noch vom Beginn übrig sind, Steve ist Euer 3. Schlagzeuger und Bill Euer zweiter 2. Gitarrist. Inwieweit haben sich diese Änderungen im Bandgefügen auf Komposition oder musikalische Ausrichtung ausgewirkt?

[Ross]:
Es hatte vor allen Dingen massiven Einfluß auf unsere Auftritte. Mit Bill und Steve haben wir wirklich ein exzellentes Line Up. Sie wissen, wie sie ihre Instrumente bedienen müssen und die Zusammenarbeit ist sehr unproblematisch. Wir sind keine Band, die regelmäßig probt. Wir finden zusammen, wenn was anliegt und mit den beiden funktioniert das wunderbar. Was die Auftritte betrifft, sind wir mit diesem Line Up so stark wie noch nie.

[Robert]:
Was das Komponieren betrifft, haben seit je her Ross und ich das meiste gemacht, daher hatten die Änderungen darauf keinen größeren Einfluß. IMMOLATION sind hauptsächlich wir beide.

Ich hatte angenommen, dass gerade die Hinzunahme von Bill vor „Unholy Cult“ eventuell Einfluß auf Komposition und Sound hatte, da sich das Album schon etwas von den vorherigen unterscheidet.

[Robert]:
Das hatte damit gar nichts zu tun (lacht). Das war einfach eine natürliche Entwicklung. Ross und ich haben immer unseren Sound und den künstlerischen Prozeß maßgeblich geprägt.

Wo wir beim künstlerischen Prozeß sind, was inspiriert und beeinflusst Euch? Nur Metal? Das vermute ich mal nicht!

[Robert]:
Nee, nee! Vieles Verschiedenes und vermutlich mehr Genrefremdes, als Metal. Der Prozeß ist immer sehr spannend, wir schleppen Riffs an, testen was passt, was nicht geht. Wenn wir das fertige Album zu ersten Mal hören, ist es dann total neu für uns, weil wir einfach so viel probiert haben. Wir bemühen uns vom Verkopfen und Überproduziern fernzuhalten .

[Ross]:
Ich glaube auch, dass gerade eine gewisse Spontanität in so einem Prozeß sehr hilfreich ist. „Here in After“ war ziemlich verkopft viele verschiedene Riffs, komische Strukturen usw. das selbe gilt eigentlich auch für „Failures for Gods“. Die Spontanität und eine feste Zeitplanung helfen sehr, ein gutes Ergebnis zu bekommen. Manchmal werfen wir Lieder weg, arrangieren sie um, dieser Prozeß kann sich bis ins Studio ziehen. Das Wichtigste ist, dass wir wissen, was wir wollen und nach 20 Jahren wissen wir ziemlich genau, was wir wollen. Wenn wir alte Titel durchhören, z.B. wenn wir ne Tour vorbereiten fällts uns schon sehr auf, wie sich die Arbeit bzw. das Ergebnis geändert hat. Da denkt man sich schon mal: „Holla, das ist ganz schön lang.“ Oder dann kommt ein wirklich cooles Riff aber viel zu kurz, das hätte das Potential, einen Titel zu tragen, aber es kommt, dann ist es weg und Du hörst es nie wieder. So, jetzt wissen wir, wie wirs besser machen können.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig ein guter Produzent ist, der kein Metal Fan ist und einen sehr objektiven, analytischen Blick auf das Ganze hat, wie siehts da mit Euren Produzenten Paul Orofino aus?

[Ross]:
Er ist definitiv kein Fan! Er ist ein Rock’n Roll Typ: BLUE OYSTER CULT, TWISTED SISTER, WIDOWMAKER usw.

Das ganze angeschwulte Zeug...

[Robert]:
Nee, das sind doch Klassiker.

[Ross]:
Jazz mag er auch. Er ist auch einiges älter als wir, so um die 10 Jahre und kommt demzufolge von der früheren Generation.

[Robert]:
Als wir das erste Mal zu ihm kamen, hat er vorher nie was Vergleichbares gemacht. Das war schon interessant. Er hat ein exzellentes musikalisches Gehör und als wir anfangs Sachen angeschleppt haben hat er schon mal gesagt: “Nee, Jungens, macht das mal lieber nicht so!“ Mittlerweile sind wir so weit, dass uns das so nicht mehr passiert und wir haben's im Gefühl, was geht und was nicht. Er gibt hier und da zwar noch Hinweise, die meiste Zeit arbeiten wir aber mit seinem Techniker Nick, hin und wieder fragen wir ihn nach seiner Meinung und er hat meist recht.

So Leute, ich danke Euch für das sehr nette und informative Gespräch und gebe Euch gleich mal das größte Kompliment, welches man einer Death Metal Band machen kann. Wenn ich meine 6 jährige Tochter aus dem Kindergarten abhole, höre ich immer Musik im Auto, sie ist schon einiges gewöhnt, CATTLE DECAPTATION, MISERY INDEX PSYOPUS usw. Aber nur bei „Unholy Cult“ hat sie sich beschwert, dass ihr die Musik Angst macht! Was kann man vom Metal mehr erwarten, als kleine Kinder zu erschrecken?

[beide]:
...(Lachen)...cool, genau, so muß es sein! Vielen Dank!
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