Anathema - A Moment In Time (Live)

Anathema - A Moment In Time (Live)
Progressive Rock
erschienen am 16.06.2006 bei Metal Mind Productions
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Shroud Of False
2. Fragile Dreams
3. Balance
4. Closer
5. Lost Control
6. Empty
7. Natural Disaster
8. Inner Silence
9. One Last Goodbye
10. Judgement
11. Panic
12. Flying
13. Angelica
14. Comfortably Numb
15. Sleepless (Krakau 2004)
16. A Dying Wish (Krakau 2004)
17. Albatross (Krakau 2004)
18. Fragile Dreams (Krakau 2004)

Die Bloodchamber meint:

Beim Einlegen der neuen Anathema DVD mit dem leicht orthodox anmutenden Titel “A moment in time” überkommt einen, falls man den gelungenen Pain Video-Scheibling „Live is overrated“ kennt, ein gewaltiges Déjà-vu. Eine gewisse Vorfreude macht sich augenblicklich breit, wenn man die zugegebenermaßen schon sehr ähnlich – um nicht zu sagen: einfallslos gleich - strukturierten Menüs und Introsequenzen betrachtet, die auch die erwähnte Tägtgren-Vollbedienung einläuten. Scheinbar ist das Produktionsangebot für Livemitschnitte der polnischen Firma „Metal Mind Productions“ recht attraktiv und überzeugend, denn Anathema sind ja nicht gerade ein kleiner Fisch und man entscheidet sich wohl ebenso nicht einfach spontan für einen Dreh in Polen. Auch wenn der Inhalt nicht ganz so üppig ausfällt, erwarten den Zuschauer als Hauptgang eine komplette Show, aufgezeichnet beim Metalmania 2006, und darüber hinaus als kleines, zusätzliches Häppchen unter der Sparte „Extras“ weitere 4 Liveclips von einem früheren Auftritt in Krakau (2004), der einen schönen Vergleich abgibt. Ein nettes Interview und die üblichen Füllelemente wie etwa ein Photoalbum, Desktophintergründe und ähnliche, nur für Fans wirklich interessante Kleinigkeiten runden das Paket ab.
Die Liveshow wird stilvoll mit einer tragischen Komposition vom „Bacchus String Quartet“ eingeleitet, das Anathema den ganzen Abend über dezent und stimmungsvoll untermalend begleiten soll. Wie sich später herausstellen wird, geht das Quartet hierbei erfreulicherweise sehr behutsam vor und obwohl es die ganze Zeit über involviert ist, stört es den originalen Anathema-Sound kein bisschen, da die Streicher nur in den ruhigen Passagen wirklich hörbar hervortreten und man sie auf Grund der Gesamtstimmung überhaupt nicht weiter wahrnimmt. Sie geben nur die letzte, tragisch unterschwellige Note, was der Musik wirklich gut steht.
Sobald Anathema selbst unter begeistertem und zugleich respektvollem Applaus seitens des in Scharen angereisten Publikums die Bühne betreten haben, zeigen sie anfangs Bühnenpräsenz wie kaum eine zweite Band. Auch wenn die Kameras vielleicht etwas zu stark auf den von Anfang an recht sympathisch wirkenden Frontmann Vincent fixiert sind, der in jedem Song trotz seiner Routine in höchstem Maße, genauso wie der Rest der Band, mit der Musik zu fühlen scheint, kann man durchaus erkennen, wie emotionsgeladen und spielfreudig die Band den Auftritt absolviert. Die ohnehin sehr gefühlsbetonte Musik spiegelt sich in den Gesichtern der Musiker und besonders stark im Gesang, der immer natürlich und ehrlich erscheint.
Mit Liedern wie „Fragile Dreams“, „Empty“ oder dem stark effektentfremdeten und gerade live sehr interessant umgesetzten „Closer“, die teilweise auch spielerisch leicht in andere Songs münden, kann man die Menge sichtlich überzeugen. Die typisch eingängigen Melodien und stimmlich sehr starken Refrains werden dermaßen authentisch und mitreißend umgesetzt, dass man einfach völlig in der Musik versinkt. Wenn sich der Sänger auf den Boden wirft, rücklings wild in die Saiten schlägt und danach eigenhändig mit geschlossenen Augen und ekstatischen Bewegungen, vor seinem Effektboard kniend, dem selbigen die abgefahrensten Laute entlockt, dann scheint die Schwelle zum wilden Posing schon weit überschritten zu sein – doch nicht bei Anathema. Es erscheint ehrlich und ungespielt – wie bei einem sorgenfreien Kind, das sich so richtig austobt.
Durch die Performance wird auch das für Anathema typische Warten auf den Ausbruch, den absoluten, unaufhaltbaren Höhepunkt unterstützt, was zu einem sehr intensiven Hörerlebnis führt.
Doch leider knickt die Stimmung spätestens beim im Duett mit Sängerin Lee vorgetragenen Titletrack des letzten Albums „A natural Disaster“ um. Es wird alles ein bisschen zu träge und fast schon ein wenig ermüdend. Nach den tollen, recht ursprünglich-wild und emotional vorgetragenen Klassikern am Anfang folgen einfach zu viele, ausschließlich schwermütige Lieder, denen leider einfach mit der Zeit die Luft ausgeht.
Mit „Judgement“, das leider gerade im intensiven Teil etwas weniger ausgespielt wurde als auf CD, bringen die Jungs zwar nochmals einen echten Knaller mit rasanten Geschwindigkeitssteigerungen und starken Gefühlsausbrüchen gerade beim Refrain „once again“, doch leider rettet dieser ebenso wenig wie die Coverversion von „Comfortably numb“ ganz am Schluss den zweiten Teil des Auftritts.

Erwähnt sein sollen an dieser Stelle allerdings noch die zwei großen, aber nicht zu auffälligen Videoleinwände, die das meist in rotes Licht getauchte Bühnenbild ebenfalls verfeinern.
Die vier Songs des Krakauer Auftritts erscheinen zwar auf Grund der Halle etwas intimer, sind aber ansonsten nicht weiter bemerkenswert.
Einen Pluspunkt gibt es noch für das Interview, das an einer Bar in schöner, ehrlich-privater Atmosphäre abgehandelt wurde und den freundlich, zurückhaltenden Charakter der Band widerspiegelt. Außerdem wird klar, dass sich Anathema nicht einstufen lassen und immer für alles offen sind.
Besonders für Fans eine schöne Sache.
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